„Quo vadis“ Kegelsport?

Wohin gehst du – Kegelsport ?


Kai Bolte hat jetzt zu dem Beitrag von Dieter Kuke seine eigene Meinung im Kommentarbereich veröffentlicht.
Da Kai sehr ausführlich auf das Schreiben des DSKB-Präsidenten und die Situation im Kegelsport eingeht, veröffentliche den Kommentar an dieser Stelle als eigenen Artikel.

Ich hoffe, dass noch mehr Kegler der vorgeworfenen Trägheit widersprechen und sich das auch in der Praxis zeigt.

Anmerkungen zum Beitrag von DSKB-Präsident Dieter Kuke
Es wird höchste Zeit, dass diese Diskussion geführt wird. Und da das Thema von existentieller Bedeutung für den Kegelsport ist, geht es ALLE Kegelinteressierten an – und eben nicht nur den DSKB-Vorstand. Deswegen zuerst einmal ein großes Dankeschön an unseren geschätzten Sektionspräsidenten, der in seinem Beitrag die dramatische Mitglieder-Situation in „Schere-Deutschland“ beschreibt.
Ohne vorwurfsvoll zu klingen muss man sagen dürfen: Endlich ist es auch in der „oberen Etage“ angekommen. Jedoch kommt diese Entwicklung alles andere als „explosionsartig“. Immerhin beschreibt er einen Zeitraum von über 20 Jahren.

Richtig ist, dass der gesellschaftlicher Wandel seit 1990 – und besonders in den letzten 10 Jahren – extreme Auswirkungen auf die Vereinsarbeit insgesamt und das heutige Freizeitverhalten hatte und noch hat.
Der moderne Mensch ist durch Mobilfunk und Internet jederzeit erreichbar und insgesamt sehr mobil, somit omnipräsent. Und das trifft nicht nur auf die „junge Generation“ zu. Die Gestaltungsmöglichkeiten für die Freizeit waren noch nie so zahlreich und es stand den Menschen im Durchschnitt auch noch nie soviel Geld zur Verfügung wie heute. Gleichzeitig lassen Verbindlichkeit und Zuverlässigkeit und die Bereitschaft, sich im Verein über das Kegeln hinaus zu engagieren deutlich nach. Ein Wandel ist eben auch bei der Einstellung der Menschen zu beobachten: Lieber für viel Geld mal schnell ins Fitnessstudio und nach hause, als regelmäßig am Vereinsleben teilnehmen, am Ende sogar noch einen Dienst machen. Kegeln ist ja ganz schön, aber nur wenn es gerade nichts Besseres gibt. Das wöchentliche, regelmäßige Training und die regelmäßigen Verpflichtungen überlanger sportlicher Wettkämpfe sind offenbar „out“.

Doch nicht nur das Sportkegeln ist für Außenstehende denkbar unattraktiv – auch das Interesse am Gesellschaftskegeln nimmt rasant ab, was man am deutlichen Rückgang der „Freizeit-Clübchen“ auf den Bahnen erkennen kann, während das „teure“ Freizeit-Bowling einen Aufschwung erfährt.

Dieter Kuke wirft den Clubs Trägheit vor und mangelndes Engagement, neue Aktive und speziell Jugendliche zu gewinnen. Die Situation ist aber differenzierter zu betrachten: Sicherlich gibt es Beispiele, auf die diese Analyse zutrifft. Doch alle Clubs und Vereine über diesen Kamm zu scheren ist weder fair noch hilfreich. Der Mehrheit der Club- und Vereinsverantwortlichen kann man getrost unterstellen, dass sie sich sehr wohl Gedanken über die Zukunft ihres Vereins machen, da sie die Entwicklung an der Basis schon wesentlich früherer erfahren haben. Auch die Darstellung, dass Clubs lieber fusionieren und fertige Spieler anwerben anstatt „mal eben schnell“ einen Übungsleiter/ Trainer im Verein ausbilden zu lassen ist so nicht in Bezug zu setzen und geht an der Realität vorbei. Damit nicht auf noch mehr Kegelbahnen das Licht ausgeht, haben sich oftmals als ultima ratio die restlichen Gleichgesinnten zusammengetan, damit ein geregelter Spielbetrieb überhaupt noch möglich ist. Den „Schwarzen Peter“ für die Jugendarbeitsmisere den Sportlern zuzuschieben ist ebenfalls nicht treffend, da sie meist voll im Berufsleben stehen, die Familie oben an steht und sie nicht zuletzt noch selbst kegeln. Wo soll da noch Zeit für Jugendarbeit sein?
In der Tat muss sich um die Jugend mehr „gekümmert“ werden. Um das von Dieter Kuke beschriebene „Freizeit-Bespaßungsangebot“ neben dem Kegeln vernünftig und nachhaltig durchführen zu können, sind neben dem großen Zeitaufwand vor allen Dingen dafür geeignete Personen erforderlich, die auch nicht im Übermaß vorhanden sind. Leider ist in vielen kleineren Vereinen die Aktivendecke schon so dünn, dass alles wieder an denselben hängen bleibt. So einfach wie es klingt ist es in der Realität nicht. Der demographische Wandel sorgt für immer mehre ältere Menschen – auch im Kegelclub. Wenn nicht sie, wer sonst als z.B. Rentner hätten am ehesten die Möglichkeit, mehrfach in der Woche Jugendarbeit zu betreiben. Das „Mittelalter“ kann mit Verlaub nicht alles leisten. Gerade vor diesem Hintergrund muss jeder im Club seinen Beitrag leisten, den Sportbetrieb am Laufen zu halten.

Der Rückgang der Mitglieder ist Realität, in anderen Sektionen und Sportarten sieht es genauso bzw. ähnlich aus. Die Zukunftsfrage die sich stellt lautet: Wie kann der Rückgang gestoppt und auf einem Existenz sichernden Level gehalten werden. Einen starken Mitgliederzuwachs wird von uns wohl niemand mehr erleben.

Wenn der DSKB laut Satzung nur für den Spitzensport verantwortlich sein soll und den Rest den Ländern überlässt, wird er recht bald die Erfahrung machen, dass auch den Bundesligen die Luft ausgeht, wenn die Basis wegbricht. Im Damenkegeln ist dies heute schon Realität, wenn man bedenkt, dass es keine Landesligen mehr gibt, oder nur noch solche, die den Namen nicht verdienen.

Die Lösung kann nur sein, die ATTRAKTIVITÄT des Sportkegelns nach innen und nach außen zu steigern. Das heißt, dass man den Spagat schaffen muss zwischen Attraktivität für (sehr wenige) Spitzensportler und für die Basis resp. für mögliche Neuanfänger (und besonders Jugendliche).
Unsere Wettkampforganisation ist hierbei vor allen Dingen nicht mehr zeitgemäß – und das geht vor allem auch den DSKB an.
Wenige Bundesliga-/Spitzenspieler sind von September bis zur Deutschen Meisterschaft an fast jedem Wochenende aktiv, während die B- und A-Ligen aussterben und der Basis (den Jugendlichen in den unteren Ligen) die Wettkämpfe fehlen. Für einen Kegler auf Bezirksebene ist im Februar das Kegeln vorbei, da auch bei Meisterschaften meist sehr schnell Schluss ist, während Spitzenspieler über zu viele Einsätze und eine zu kurze Sommerpause stöhnen.
Die Reform muss also von ganz oben kommen und sich bis in die untersten Ligen positiv auswirken. Angefangen vom Spitzensport auf BULI- und DM-Ebene muss im Sinne eines „Gesundschrumpfens“ der Zeit- und Kostenaufwand für die Ausübung unseres Sportes deutlich verringert werden, um die oben beschriebene Attraktivitätssteigerung zu erwirken. Kegeln ist nun einmal kein Profisport, bei dem Geld verdient wird, sondern Hobby, was Geld kostet!

Dabei darf es zunächst keine Denkverbote geben. Gerade auch vom finanziellen Aspekt her klingt eine Strafzahlung eher wie ein moderner Ablasshandel für gut situierte Vereine anstatt als Lösung der Jugendmisere. Viele Vereine sind finanziell jetzt schon an ihrem Limit, was Bahnunterhaltung, -miete , Fahrkosten zu Auswärtsspielen etc. betrifft. Ich kann mit Verlaub niemanden “zwingen”, erfolgreiche Jugendarbeit zu machen, wenn es nicht möglich ist.Das funktioniert nur im (Profi-) Fußball.

Lösungsansätze könnten sein:
– Abschaffung der unsinnigen, weil sportlich irrelevanten und ausschließlich Kosten verursachenden Auf- und Abstiegsrunde (der Anreiz für Kegler „oben mitzuspielen“ ist gering, 18 plus 4 (+1) Spieltage incl. der nicht mehr zeitgemäßen Doppelspieltage sind viel zu aufwändig und Außenstehenden nicht vermittelbar)

– der Terminkalender ist übervoll (Spieler machen nicht mehr alle Ligenspiele und deutlich weniger Meldungen auf Meisterschaften: „Weniger ist mehr!“ Keine Doppelspieltage!)

– Reduzierung auf echte Vierermannschaften von der 1. Buli bis zur letzten Kreisklasse, die dann wieder mit Mannschaften gefüllt wäre (Ligabetrieb: 2 Blöcke und fertig – weder alle Spieler noch die Fans sind heute willens bzw. in der Lage ein 3-stündiges Spiel von Anfang bis Ende zu verfolgen; ein Kfz. ist ausreichend)

– Deutsche Meisterschaften in der Woche sind eine Farce, weil Qualifizierte nicht teilnehmen können und Zuschauer die weite Anreise nicht machen. Solche Durchführungsmodalitäten gehen an der gesellschaftlichen Realität vorbei und sorgen für weiteren Verdruss unter den Sportlern.

– Gemischte Mannschaften bis zur BULI: Warum sollten Damen nicht gegen oder mit Herren in einer Mannschaft spielen und in (Bundes-)Ligen, wo sie leistungsmäßig hingehören? (Gleiche Distanz, gleiches Spielgerät, gleiche Leistungen)

– Reine Damenmannschaften dürfen in allen Ligen spielen, so hoch sie eben kommen. Beste Damenmannschaft in einem Land ist Meister und darf Damen-BULI spielen.

– Reduzierung durchgängig auf 8-er Ligen –( nur so wäre ein Turniersystem in Play-Off-Modus o.ä. überhaupt erst denkbar)

– Abschaffung der zweigleisigen 2. BULI zur Stärkung der Landesligen und des sportlichen Niveaus insgesamt bis in die unteren Ligen. (auch in der BULI hat der Schwund schon Einzug gehalten: Rückzug von Mannschaften, kaum gleichwertige Ersatzspieler zumindest in den 2. BULI´s) Alternativ: statt 1. BULI, 2. BULi Nord und Süd : 1. BULi, 2. BUli, 3. Buli (3×8 = 24M.) in der Übergansphase.

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Ich freue mich auf rege Diskussionsbeiträge zum Wohle unseres geliebten Kegelsports.
Mit sportlichem Gruß
Kai Bolte
Lehrbeauftragter der Sektion Schere in Hessen
1. Vorsitzender KSG 1985 Mittelhessen